26. Spieltag der Fußball-Bundesliga, VfL Borussia Mönchengladbach gegen SC Freiburg

Freitag, 15. März 2019, 20.30 Uhr *

Borussia-Park, Mönchengladbach *

VfL Borussia Mönchengladbach - SC Freiburg *

Das Vorspiel

Denk‘ ich an Gladbach in der Nacht… oder auch am Tag… Vier, fast fünf Jahrzehnte ist mir der Fußball nahe und damit natürlich auch Borussia Mönchengladbach. Die Eltern meines Jugendfreundes Lothar hatten eine Aral-Tankstelle bei uns im Lehmstich-Viertel in Bielefeld, wo ich groß geworden bin und da soll tatsächlich mal Günter Netzer getankt haben. Vielleicht war es aber auch nur ein Auto aus Mönchengladbach – und dann dachte man zu jener Zeit halt an Günter Netzer. Es waren die Weisweiler-Jahre. Weisweiler und Netzer bewunderte man damals - auch schon wir Kinder. Umso mehr war ich, zehnjährig, im Februar 1971 begeistert, als der Club, den ich gerade begonnen hatte, für mich zu entdecken, Arminia Bielefeld, als Aufsteiger in die Bundesliga, mit 0:2 in Mönchengladbach gewann. Das war so eine richtige Fußball-Sensation. Die Helden des Jahrzehnts spielten bei Borussia Mönchengladbach und hießen Kleff, Müller, Sieloff, Vogts, Wittmann, Netzer, Wimmer, Le Fevre, Heynckes, Köppel und Laumen.  


Die Helden des Tages spielten allerdings bei Arminia Bielefeld und hießen

Siese, Klein, Schulz, Slomiany, Wenzel, Braun, Knoth, Stockhausen, Brei, Leopoldseder und Roggensack. 

Es war eine geile Zeit; meine Menschwerdung als Fußball-Fan. Im Stadion war ich zu dieser Zeit vielleicht einmal im Jahr. Bundesliga fand für mich im Radio statt. Das waren offenbar prägende Erlebnisse… Jenen Sensationssieg durch ein Tor von Dieter Brei kurz nach der Pause und ein Eigentor von Heinz Wittmann in der 58. Minute erlebte ich im väterlichen Ford Taunus, am Autoradio.   

Erst 23 Jahre später setzte ich selbst erstmals einen Fuß in das Stadion auf dem Bökelberg, wo Borussia damals kickte. Ich kam in derselben Rolle, die ich noch heute innehabe, als Radio-Begleiter auf den Spuren des SC Freiburg, meiner zweiten großen Fußball-Liebe. Übrigens war ich schon vormittags zur Stelle und berichtete live in unserem Radioprogramm von der Platzbegehung mit Gartenamt und Schiedsrichter, denn die Partie am 26. Februar 1994 drohte wegen Unbespielbarkeit des Platzes auszufallen. Es wurde dann doch gekickt und das war gut so: Der SC holte als Außenseiter einen Punkt. 1:1 ging das Spiel aus. Andi Zeyer hatte in der 32. Minute sogar die Führung erzielt, Martin Max glich sieben Minuten später aus. So wie das am Freitagabend im Borussiapark von Mönchengladbach wäre, war es damals: ein äußerst wichtiger Punkt, der nicht unbedingt zu erwarten war. Am Ende dieser ersten Freiburger Bundesligasaison, vor 25 Jahren, schaffte der SC den viel zitierten und beschriebenen Last-Minute-Klassenerhalt und hatte so die Chance, in seiner bislang erfolgreichsten Bundesligasaison aller Zeiten, dem Spieljahr 94/95, das mit Platz 3 endete, sogar in Mönchengladbach zu gewinnen. Es war am 1. April 1995, aber es war kein Aprilscherz: Borussia Mönchengladbach gegen SC Freiburg 1:2; wumms!  Alle drei Tore fielen um die 15.Minute herum: Damir Buric schoss in der 13. Minute das 0:1, Uwe Wassmer schockte Gladbach zwei Minuten später mit dem 0:2, bevor Martin Dahlin in der 17. Minute der Anschluss gelang. Der Rest war glaube ich eine Abwehrschlacht, aber die Abwehr hielt. Hier ist die Sieger-Elf:

Schmadtke - Buric, Spanring, Sundermann, Vogel, Braun - Cardoso, Heinrich, Zeyer - Spies, Wassmer.

Taktisch war der SC damals seiner Zeit fast um ein Vierteljahrhundert voraus, spielte er doch mit einer Dreier-/Fünferkette und sehr offensiv orientierten Außenbahnspielern; Ja, der Volker Finke war schon ein genialer Vordenker und Wegbereiter für dauerhaften Spitzenfußball in Freiburg.  Das ist unvergessen.

Bis zum zweiten und bislang letzten Freiburger Sieg in Mönchengladbach dauerte es dann viele Jahre: Im Mai 2008, in einem Zweitligaduell, setzte sich der SC mit 2:3 durch. Karim Matmour und ein Doppelpack von Ali Günes machten den Auswärtssieg möglich.

Insgesamt gab es sechs Auswärts-Remis in Gladbach, das letzte am 3. November 2012. Beim 1:1 glich Daniel Caligiuri in der 77.Minute die Borussia Führung von Igor De Camargo aus der 49. Minute aus. Im selben Jahr, ein paar Monate zuvor, also in der vorangegangenen Saison, hatte es am 10.März 2012 ein 0:0 gegeben.

Soweit ein kleiner, nicht ganz kompletter Blick in die relativ überschaubare (Erfolgs-)Geschichte des SC Freiburg als Gast von Borussia Mönchengladbach.

Und doch fahre ich immer wieder gerne dahin; schon wegen Ex-SC-Kapitän Steffen Korell, der im Borussia-Management mitarbeitet und wegen Co-Trainer Frank Geideck, der – das habe ich ich schon des öfteren erzählt – zu meiner Anfangszeit als  Sportjournalist in Bielefeld bei Arminia spielte und den ich gleichzeitig als Tutor an der Bielefelder Universität in die Geheimnisse der Linguistik einführen durfte. Durch den damals neu aufkommenden privaten Hörfunk und meine Rolle als Arminia-Reporter bei Radio Bielefeld wurde ich zumindest in der regionalen Fußballszene gewissermaßen eine bekannte Person und durch den Kontakt an der Uni hatte ich besonders häufig mit Frank zu tun und wir begrüßen uns noch heute immer sehr herzlich, wenn wir uns begegnen. Gleiches gilt für Steffen, einem extrem netten Kerl in dieser manchmal auch etwas schwierigen Fußball-Branche.

Und jetzt spielt da auch noch Matze "Gindes" Ginter, ein Kind der Freiburger Fußballschule, Weltmeister, bis heute bekennender Freiburger und - wie ich - Mitglied im Förderverein Freiburger Fußballschule. Noch ein Grund, gerne nach Mönchengladbach zu fahren und einstigen Weggefährten die Hand zu schütteln.

 

Und wie geht es diesmal sportlich aus, wenn Mönchengladbach und Freiburg die Klingen kreuzen?

Völlig unverständlich - oder eben doch gerade wegen dieser ungewohnten Rolle - konnte Borussia, als sie sich vor ein paar Wochen anschickten, noch vor den Bayern erster „Dortmund-Jäger“ zu werden und dieses Jahr vielleicht sogar um den Titel mitzuspielen, speziell zu Hause nichts mehr reißen: 0:3 gegen Hertha BSC, 0:3 gegen Wolfsburg, 1:5 gegen Bayern. Und jetzt kommt Freiburg…

Kriegt der SC jetzt den ganzen Frust der Borussen zu spüren und wird in seiner personell durchaus heiklen Situation von Mönchengladbach, quasi als Borussias  Entschädigung für das treue Heimpublikum, niedergemacht?

Oder spielen die Nerven den Gladbachern ein weiteres Mal einen Streich und der SC streckt die Hand nach seinem zweiten Erstligasieg in Mönchengladbach aus? Oder zumindest nach einem Punktgewinn?

 

Auf der Pressekonferenz am Donnerstagmittag bat ich Christian Streich um Mut machende Worte für eventuell pessimistische Fans, die sich angesichts der vier Auswärtsspiele unter den nächsten sechs Begegnungen und der beiden Heimspiele gegen die Titelaspiranten Bayern und Dortmund den „worst case“ ausmalen, sprich eine Niederlagenserie. Der Trainer erinnerte daraufhin an erfolgreiche Auswärtsauftritte seines Teams mit Siegen in Wolfsburg und Nürnberg sowie an die vier Auswärts-Remis, unter anderem beim FC Bayern (außerdem in Berlin, Stuttgart und Schalke) und meinte, dass der SC auch auswärts durchaus etwas zu bieten habe und keinesfalls nach Mönchengladbach reisen würde, um dort brav die Punkte abzuliefen. Bisher sei es in der laufenden Saison noch keinem Gegner gelungen, den SC regelrecht auseinanderzunehmen oder vorzuführen. Was auf eine gewisse Stabilität seiner Mannschaft zurückzuführen sei. Zudem sei die Mannschaft in der Lage, Tore zu erzielen; waren es zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres 25 Treffer, sind es aktuell schon elf Tore mehr; 36 erzielte Treffer stehen zu Buche. Viele davon resultieren aus Standards aber längst nicht alle. Deshalb fürchtet Streich, trotz der hochkarätigen Gegner, die jetzt auf den SC warten, nicht eine Niederlagenserie, wie es sie im Frühjahr 2018, nach dem Erreichen der 30-Punkte-Marke gegeben hat. Ein torloses Remis bei Hertha BSC brachte am 26. Spieltag der Vorsaison den 30. Punkt auf das Freiburger Konto. Dann folgten Niederlagen gegen Stuttgart (1:2), auf Schalke (2:0), gegen Wolfsburg (0:2), in Mainz (2:0) und in Hamburg (1:0). Durch die Durststrecke wurde es tatsächlich noch einmal eng im Kampf gegen den Abstieg und erst der Last-Second-Heimsieg, das 3:2 gegen Köln ließ den Puls nach überschäumender Begeisterung, bezüglich der Abstiegssorgen wieder auf Normalfrequenz sinken.

So spannend wie im letzten Jahr, als erst am 34. Spieltag mit dem 2:0 gegen Augsburg das rettende Ufer erreicht wurde, soll es dieses Jahr nicht wieder werden. Verdammt hilfreich wäre daher ein (Teil-)Erfolg in Mönchengladbach.

Gleichwohl sieht auch Christian Streich die Gladbacher am Freitagabend in der Favoritenrolle, trotz der jüngsten drei Heimschlappen – 0:3 gegen Hertha, 0:3 gegen Wolfsburg und 1:5 gegen Bayern. Von mir darauf angesprochen, erinnert Streich daran, dass man bei Betrachten der ersten halben Stunde gegen Hertha nie darauf kommen würde, dass das Spiel 0:3 für Berlin enden könnte. Gladbach habe halt seine Chancen nicht genutzt und die Berliner hätten mit großer fußballerischer Qualität drei Mal getroffen. So könne es halt mal gehen im Fußball. Auch das Ergebnis im BMG-Heimspiel gegen Bayern München sei erst sehr spät so klar ausgefallen. Trotzdem will der SC morgen punkten – irgendwie.

Bangemachen gilt nicht; weder vor der spielerisch gewieften Borussia, noch angesichts der eigenen personellen Probleme im Abwehrbereich. Die Defensivspezialisten  Höfler, Koch, Gulde, Kübler und Lienhart  sind verletzt. Das bringt für die Abwehrkette automatisch die Schlotterbeck-Brüder ins Thema. In einer Viererkette könnten entweder der knapp 22-jährige Keven, der beim Remis in Stuttgart zu seiner Bundesligapremiere kam, oder der erst 19-jährige Nico, der beim Heimsieg gegen Hertha BSC in der zweiten Halbzeit mitwirkte, die Position einnehmen, die zuletzt Lienhart – in Vertretung des verletzten Gulde – inne hatte. „Wenn wir mit einer Dreierkette spielen, könnte es auch sein, dass beide spielen“, gibt Streich zu bedenken. Ein Risiko sieht er darin nicht: „Dafür sind wir Freiburg, dafür stehen wir“, sagt Streich, dem es 2011 gelungen war, mit einer ganzen Reihe von Spielern aus dem zweiten Glied den nicht mehr möglich geglaubten Klassenerhalt zu schaffen. Einer von den Youngstern, die damals von Streich ins kalte Wasser geworfen wurden darf sich heute Weltmeister nennen, heiß Matthias Ginter und spielt heute bei Borussia Mönchengladbach (s.o.). Als die PK schon zu Ende war, Streich sich mit wenigen von uns Journalisten noch im inoffiziellen Austausch befand, erreichte uns aus Gladbach die Meldung, dass „Gindes“ gegen seinen Stammverein wohl passen müsse. „Muskuläre Probleme“ meldete „Kicker online“. Für den sympathischen Kicker, der aus Freiburg-March stammt tat es uns allen leid. Für das Spiel morgen könnte es aber von Vorteil für den SC Freiburg sein. Auch darin waren wir uns einig.

Hier noch mein persönlicher Reiseplan:

Bereits heute übernehme ich den baden.fm-Toyota, das heißt, ich tausche ihn für die Dienstreise nach Mönchengladbach gegen meinen privaten Ford Kuga aus.

Im WZO-Verlag habe ich mir, wegen der Radio-Verpflichtungen, den Freitag freigenommen. Mein Reiseplan sieht vor, dass ich am Freitagmorgen nach dem Kaffee, so um 9 Uhr denke ich, starte. Erste Station ist mal wieder der Westerwald. Eine gute Autobahnstunde vor dem Borussiapark werde ich, wie schon anlässlich der Auswärtsspiele auf Schalke und in Leverkusen, Station im Hotel Maischeider Hof in Kleinmaischeid machen. In der Mittagszeit werde ich da ankommen, etwas Feines essen und versuchen, mich ein paar Stunden zu entspannen. Um etwaigen Staus im Kölner Raum vorzubeugen, werde ich dann um 17 Uhr aufbrechen und den Borussia-Park im Norden von Mönchengladbach ansteuern. Wenn ich gut durchkomme, werde ich mal wieder viel zu früh vor Ort sein, wenn es etwas stockt – das muss man ja immer einberechnen – werde ich immer noch früh genug vor Ort sein, um meinen Job zu machen; Technik checken und vorbereiten, im Pressezentrum Gespräche mit Kollegen führen, essen, konzentrieren und so weiter.

Nach dem Abpfiff und den Interviews geht es dann übrigens gleich zurück zum Hotel im Westerwald und dort direkt ins Bett. Ich will am Samstag früh los, denn um 11 Uhr kicken die „Golden Boys“, die U11 des FC Bad Krozingen, die ich unter anderem wegen ihrer weiß-goldenen Trikots so nenne – aber nicht nur deswegen -  gegen den ruhmreichen FFC. Es ist das letzte Testspiel der Jungs, von denen inklusive Torwart gleich vier, im weiteren Sinne sogar fünf junge Talente seit einigen Monaten unter dem Radar des SC Freiburg bzw. der Freiburger Fußballschule stehen. Vor diesem Hintergrund erklärt sich, warum die Jungs aus der Kurstadt in der Regel jeden Gegner auseinandernehmen und uns Eltern so viel Spaß machen.

Der FFC, für Auswärtige sei erklärt, es handelt sich um den Freiburger Fußball Club, Deutscher Meister von 1907 und noch in den 80er Jahren, vor dem SCF, die „Nummer 1“ in Freiburg. Heute bewegt sich der Verein bei den Senioren in der Verbandsliga und lebt vor allem von seiner Vergangenheit. Noch immer hat der FFC hier in der Region aber irgendwie einen großen Namen und gibt sich auch im Nachwuchsbereich große Mühe. Deshalb ist der Kick der Krozinger E1 gegen den FFC sozusagen die Generalprobe vor dem Staffelstart und voraussichtlich eine richtige Herausforderung für die Jungs. Möglicher Weise wird es ja auch sportlich mal richtig eng. Deshalb will ich das Spiel sehen und deshalb will ich spätestens um 8 Uhr im Westerwald auf die Autobahn – eigentlich schon um 7.30 Uhr…

Vorher aber zählt nur der SC! Es geht um Bonuspunkte aus Mönchengladbach. Hoffen und Bangen ist mal wieder angesagt. Das Kribbeln im Bauch hat bereits begonnen. I love it…

 

Ich übertrage das Bundesligaspiel Borussia Mönchengladbach gegen SC Freiburg am Freitagabend live bei baden.fm.

 

Das Fußballspiel

(Mein 936. SC-Livespiel)

 

 

Auf „P3“, dem Medienparkplatz am Borussia-Park angekommen, goss es dermaßen aus Kübeln, dass ich sogar überlegt habe, ob das Spiel auch abgesagt werden könnte. Ich hatte die Bilder vom Mittwoch vor mir, als die Frauen des SC bei strömendem Regen in Mönchengladbach gekickt hatten (6:1 gewonnen!), ich mich aber nachhaltig an Deutschland gegen Polen bei der WM 1974 in Frankfurt erinnert habe als auch kleine Seen auf dem Rasen entstanden waren und der Ball mancherorts nicht rollte, sondern schwamm. Ich denke, dass solche Umstände vor einem Bundesligaspiel zur Absage führen könnten – es wäre am Freitagabend aber rückblickend sehr schade gewesen… Als der Regen etwas nachließ, zog ich mir meine hummel-Wollmütze über den Kopf und beeilte mich, die paar hundert Meter zum Stadion schnell hinter mich zu bringen. Der Regen ließ im weiteren Verlauf das Abends immer weiter nach, der Platz war in Top-Zustand, es waren offenbar alles nur Gedankenspiele. Aber wie gesagt, auf dem Parkplatz hatte ich starke Bedenken und war 20 Minuten im Auto sitzen geblieben, so hatte es gegossen.

In der obersten Reihe unter dem Stadiondach angekommen, schloss ich meine Übertragungstechnik an und nach einigen Fehlversuchen stand schließlich der Stream zwischen Studio in Freiburg und Reporterplatz in Mönchengladbach. Mir blieb noch Zeit, im Pressezentrum etwas zu essen und schon begann die baden.fm-Bundesligashow. Inzwischen war klar, dass Christian Streich dem älteren der beiden Schlotterbeck-Brüder, Keven, das Vertrauen schenken würde und der junge Mann, der im April 22 Jahre alt wird, machte seine Sache – das sei vorab festgehalten – glänzend.

Das Spiel begann mit einem Paukenschlag: In der zehnten Minute spielte ausgerechnet der junge Schlotterbeck einen mutigen Pass in die Zentrale. Waldschmidt verarbeitete den Ball perfekt und leitete ihn auf die rechte Seite zu Stenzel weiter, dessen flache Hereingabe von Grifo im Strafraum mit dem starken rechten Fuß direkt aufs Tor geschossen wurde. Vom Innenpfosten sprang der Ball ins Netz - das 0:1. Während das Angriffs war ich von Robert Wolf anmoderiert worden, hatte – wie in solchen Situationen üblich - noch einmal auf die Uhr und meine Notizen geschaut und konnte dann – ganz unerwartet und live den Abschluss und Grifos Torerfolg ins Mikrofon brüllen. Um bei der nächsten Einblendung auch die Entstehung des Treffers schildern zu können, klickte ich auf „kicker online“, wo offensichtlich eine Aushilfe mit dem Tickern beauftragt worden war und Haberer als Vorlagengeber auf Grifo genannt hatte. Letzterer habe den Ball auf Grifo zurückgelegt. Ich habe das dann bis in den Nachklapp (Analyse) nach dem Abpfiff so übernommen und so Pascal Stenzel im Radio um seinen verdienten Scorerpunkt gebracht. Das ärgerte mich später nachhaltig, ansonsten war es aber ein Pickobello-Abend für den Sport-Club und auch für mich.

Schade, dass die Führung so schnell wieder aus der Hand gegeben wurde und Gladbach in der 16. Minute durch Pléa zum Ausgleich kam. Es war ein Tor, bei dem Vorbereiter Hazard „abseitsverdächtig“ war, durch den Videoassistenten allerdings entlastet wurde – gleiche Höhe, also eine Millimeterentscheidung.

1:1 nach einer guten Viertelstunde – danach passierte nicht mehr allzu viel vor den Toren. Freiburg spielte top-organisiert und ballsicher sein Pensum runter. Gladbach schaffte es nicht, klare Torchancen heraus zu spielen. Zwar lautete das Eckballverhältnis in der zweiten Halbzeit 6:1 für Borussia (1. Halbzeit: 4:4), bei der Gegenüberstellung von guten Tormöglichkeiten sah es in dieser zweiten Hälfte aber anders aus: 0:2 für den SC! Leider war ein letzter Pass von Haberer zu ungenau und ein Schuss vom eingewechselten Gondorf wurde abgefälscht und ging so knapp am Tor vorbei. Nein, „Hundertprozentige“ waren das nicht, aber kleine aufregende Momente vor dem Gladbach-Tor, die vor dem Kasten von Schwolow in vergleichbarer Qualität gänzlich fehlten, wenn man von einem etwas missglückten, kraftvollen Rückpass von Schlotterbeck auf den Torhüter, der Schwolow auf dem falschen Fuß erwischte und ins Toraus ging, absieht.

Auffällig war, dass der SC die Angriffe der Platzherren im 4-4-2 erwartete, bei eigenem Ballbesitz aber umschaltete. Frantz spielte dann mittleres Glied einer Dreierkette, während die Außenverteidiger weit aufrückten und so für Überzahl im Mittelfeld sorgten. Das alles geschah gegen im sonst üblichen Pressing etwas passive Gladbacher mit großer Selbstverständlichkeit und extremer Ballsicherheit. Kurz: Es war eine reife Auswärtsleistung des SC und ein hochverdienter Punkt. Hut ab, Jungs!

 

Das Nachspiel

Nach der für Facebook gefilmten und dort auch als Video veröffentlichten Spielerbewertung, die bei baden.fm natürlich live im Programm lief, baute ich meine Technik schnell ab und fuhr mit dem Lift ins Pressezentrum runter. In der Mixedzone bekam ich Stenzel und Grifo vor das Mikrofon. Dann setzte ich mich im Pressekonferenzraum an den Tisch und gönnte mir noch einen kleinen Nachschlag zum Abendessen von vor dem Spiel. Als mir eine Hand freundlich über den Hinterkopf strich und auf die Schulter haute, schreckte ich hoch – es war Christian Streich auf dem Weg zum Podium. Da wusste ich, der Trainer ist heute rundum zufrieden. Und womit? Mit Recht!

Nach der PK und dem obligatorischen Trainer-Interview trat ich die Heimreise an. Der Regen hatte aufgehört. Während ich zu „P3“ trottete kam mir in den Sinn, dass mir die erwarteten und erhofften Begegnungen mit Steffen Korell, Frank Geideck und vor allem „unserem“ Weltmeister Matthias Ginter diesmal verwehrt geblieben waren. „Schade eigentlich“, dachte ich, packte mein Zeug in den Kofferraum und fuhr los. Als ich wenige hundert Meter vom Stadion entfernt an einer Ampel stand hupte mich ein helles Mercedes-SUV von links an. Ich schaute und erkannte „Gindes“ und seine Frau. Wir fuhren die Fenster herunter und der angeschlagene Matthias aus March, gesund so etwas wie der Abwehrchef bei BMG, fragte, ob ich jetzt noch bis nach Hause durchfahren würde. „Nein“, beruhigte ich den sympathischen Blondschopf, „ich fahre nur ein gutes Stündchen bis in den Westerwald und übernachte dann im Hotel“. Mein Sohn habe am Samstagvormittag mit seiner Bad Krozinger U11 ein Spiel gegen den FFC, bis dahin müsste ich dann zurück sein, erzählte ich. „Gindes“ grinste und wir verabschiedeten uns. Dass einer, der es so weit geschafft hat, so bodenständig empathisch und freundlich bleibt, ist selten in dieser vom Geld regierten Branche. Matthias Ginter ist ein toller Typ. Freiburger (Fußball-)Schule halt.

Gegen viertel vor Eins komme ich im Hotel an und versuche schnell einzuschlafen. Den Wecker im IPhone habe ich auf 6.45 Uhr gestellt – das Jugendspiel wartet.

Im Hotel ist noch alles ruhig, der Frühstücksraum noch abgeschlossen. Ich bin für einen Samstagmorgen schlicht zu früh dran. Beim Verlassen des Hotels treffen sich durch die Fensterfront die Blicke des Hotelbesitzers und meiner; er winkt mich zurück. Ich hätte doch Bescheid geben sollen, meint er, das Büffet sei jetzt leider noch nicht gerichtet. Er bietet mir an, mir eine Portion Rührei mit Speck zuzubereiten – ich bin begeistert, frühstücke, nehme noch einen Pott Kaffee mit auf den Weg und starte durch den Westerwälder Regen, der bei Frankfurt aufhört zu fallen, Richtung (Wahl-)Heimat.  Bis Offenburg läuft alles wie am Schnürchen, 20 Minuten vor Spielbeginn würde ich in Bad Krozingen sein. Dann reißt die Glückssträhne… Bei Lahr gerate ich für eineinhalb Stunden in einen Stau. Ich bin sauer. Der Ticker der Eltern-Whatsapp- Gruppe der U11 des FC Bad Krozingen informiert mich über den Spielverlauf gegen den FFC: 0:1 / 1:1 / 1:2 / 2:2 / 3:2 / … Am Ende steht es aber 3:5. „Vielleicht ganz gut, dass ich im Auto war und nicht am Spielfeldrand“ schmunzele ich mit dem besagten Humor, der ja nur ein solcher ist, wenn man trotzdem lacht. Als die Jungs sich umziehen komme ich am Sportplatz an…

Am Sonntag verwöhnen uns die Jungs mit 23 Toren in drei Spielen und der Titelverteidigung beim E-Junioren-Cup im feinen Fußballcenter Hinterzarten. Der Rückschlag gegen den FFC ist vergessen.

Heute ist Montag und ich habe als erstes wieder meine Kolumne für die Wochenzeitungen am Oberrhein verfasst. Hier ist sie (noch vor der Korrekturlesung):

 

SC INTEAM

Rückblende: In der vergangenen Saison schaffte der SC Freiburg den Klassenerhalt erst am letzten Spieltag durch einen 2:0 Heimsieg gegen den FC Augsburg. Dass es noch einmal richtig eng wurde, obwohl der Sport-Club  am 26. Spieltag, nach einem torlosen Remis bei Hertha BSC, bereits 30 Punkte auf dem Konto hatte, lag an einer Serie von fünf Niederlagen am Stück, die dann folgte. Vergleicht man den Abstiegskampf der laufenden Saison mit jenem des Vorjahres stößt man auf Parallelen und auf bedeutende Unterschiede: Vergleichbar ist die Situation auf den direkten Abstiegsplätzen: Im vergangenen Jahr  galten die späteren Absteiger  Hamburger SV und  1. FC Köln, genau wie in diesem Jahr Hannover und Nürnberg, bereits frühzeitig als mutmaßlich  zum Abstieg verurteilt. Drohte damals vor allem Wolfsburg und Mainz auf den Plätzen 15 und 16 der Gang in die Relegation, den Wolfsburg am Ende antreten musste, scheinen in diesem Jahr Schalke 04 und Stuttgart am meisten gefährdet. Insofern lässt sich die Situation im Abstiegskampf  des Jahres 2018 recht gut mit der aktuellen Situation vergleichen. Der wesentliche tabellarische Unterschied ist aus Freiburger Sicht, dass der Abstand zum Relegationsplatz, der 2018 nach 26 Spieltagen fünf Punkte betrug, in der laufenden Saison mit elf Zählern weitaus üppiger ausfällt. Außerdem stehen drei Mannschaften mehr hinter dem SC als im Vorjahr zum gleichen Saisonzeitpunkt. Selbst eine Niederlagenserie wie 2018, die heuer nicht zu erwarten steht, aber angesichts des schweren Programms der nächsten Wochen auch nicht ausgeschlossen werden kann, würde kaum dazu führen, dass es noch einmal so eng wird, wie es im vergangenen Jahr wurde. Das Punktepolster ist schlicht zu dick. Wenn sich der Autor dieser Zeilen in diesen Tagen mit den Worten „diese Mannschaft steigt nicht ab!“ klar festlegt, spielt die Tabellenalgebra aber nur eine Nebenrolle. Entscheidend für diese Einschätzung, die  hiermit aktenkundig wird,  ist die Qualität der aktuellen Freiburger Mannschaft. War der Heimsieg gegen Hertha BSC vielleicht  noch mit ein bisschen Glück verbunden, war der Auswärtspunkt bei Borussia Mönchengladbach absolut verdient. Trotz widriger personeller Umstände, speziell im Abwehrbereich, war der Sport-Club mit dem Champions-League-Aspiranten Mönchengladbach in dessen Stadion „Borussia-Park“  absolut auf Augenhöhe, zeigte mit großem Selbstbewusstsein und sehr ballsicher eine reife Leistung. So kann der Großteil des Kaders sehr entspannt in die Länderspielpause gehen. Zwei der  absoluten Leistungsträger des Teams, Amir Abrashi (Albanien) und Vincenzo Grifo (Italien), sind derweil mit den A-Nationalmannschaften ihrer Länder unterwegs. Mögen sie gesund zurückkehren! (Zitatende)

 

Länderspielpause heißt auch Tagebuchpause!

Man liest und hört nächste Woche wieder!